Die bisherigen Betrachtungen gingen von einer idealen Elektronenbahn im
Beschleuniger, dem sogenannten Orbit, aus. Tatsächlich
weichen die einzelnen Elektronenbahnen jedoch aufgrund der
Betatronschwingungen vom Orbit ab. Die Amplituden der Betatronschwingungen
und nehmen für jeden Punkt s der Elektronenbahn
andere Werte an.
In guter Näherung kann von einer Gaußschen Normalverteilung der
einzelnen Bahnen um den Orbit herum ausgegangen werden
[Wil92]. Sowohl in vertikaler als auch in horizontaler Richtung ergibt
sich somit eine endliche Elektronenstrahlbreite:
Hierbei ist die transversale Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines
Elektrons. Mit dem Faktor multipliziert (N - Anzahl der
Elektronen, e - Ladungsdichte) ergibt sich hieraus die transversale
Ladungsdichte. Bei und handelt es sich um die
horizontalen und vertikalen
Elektronenstrahlbreiten, d.h. die Abstände von der Strahlachse, bei denen die
Elektronendichte auf 1/e abgefallen ist.
Zur Elektronenstrahlbreite kommt die Strahldivergenz hinzu, die ebenfalls als
normalverteilt angenommen werden kann. Die Elektronenverteilung und die
Strahldivergenz bilden mit ihren Standardabweichungen für die horizontale und
vertikale Richtung jeweils Phasenellipsen, die die Teilchenbewegung
beschreiben. Die Flächen dieser Phasenellipsen werden üblicherweise mit und angegeben, wobei und
als Emittanz des Gesamtstrahls bezeichnet werden. Diese
Emittanzen sind konstant über die gesamte Elektronenbahn. Mit
der Amplitude der Betatronschwingung ergibt sich für die
horizontale Strahlbreite
und für die Standardabweichung der Strahldivergenz bei x = 0:
Um das tatsächliche Spektrum der Synchrotronstrahlung zu berechnen, müßte
daher die Schwingergleichung
mit der vertikalen
Strahlbreite und Divergenz gefaltet werden .
Für die horizontale Richtung ergeben sich zudem Abweichungen von der
erwarteten Rechteckverteilung und Abschattungseffekte.
Betrachtet man Breite und Divergenz des Strahls im Phasenraum, so können die
beiden Größen jeweils zu einer horizontalen bzw. vertikalen effektiven
Elektronendichte bzw. zusammenfaßt werden
[Wil92].
Die tatsächliche Divergenz der Synchrotronstrahlung ergibt sich somit aus der
Faltung der effektiven Elektronenverteilungen mit den jeweiligen natürlichen
Divergenzen.
Setzt man eine vertikale Blende der Breite im Abstand D vom Quellpunkt in den Strahl, so läßt sich die Intensität der Strahlung, die mit einem Winkel zur Ebene abgestrahlt wird, wie folgt berechnen:
Hierbei entspricht der aus der Schwingergleichung
berechneten Synchrotronstrahlungsintensität für die Energie E. Mit
läßt sich ein Versatz der Blende gegenüber der Beschleunigerebene
berücksichtigen. Unberücksichtigt bleibt hierbei zunächst die horizontale
Winkelverteilung. In der Annahme einer großen horizontalen Blende geht
lediglich der horizontale Öffnungswinkel ein.
Abbildung: Vertikale Divergenz bei endlicher Elektronenstrahlbreite -
Aufgetragen ist hier für drei verschiedene Energien der
Synchrotronstrahlung deren Divergenz hinter einer eingestellten Blende von
. Hierbei wurden verschiedene effektive vertikale
Elektronenstrahlbreiten
betrachtet. Die jeweilige HWHM des Elektronenstrahls steht an der
Divergenzkurve für 5 keV, da sich hier die Auswirkungen am ehesten
bemerkbar machen.
In Abbildung ist für verschiedene Elektronenstrahlbreiten die
vertikale Divergenz der Synchrotronstrahlung hinter einer Blende von aufgetragen. Dabei wurden drei unterschiedliche Energien betrachtet. Die
Divergenz ist umso größer, je kleiner die Energie der Strahlung ist.
Betrachtet man statt des Winkels die vertikale Position an einem
Bezugspunkt im Strahlrohr, so läßt sich für diesen Bezugspunkt ein
Strahlprofil berechnen.
Vor jeder Meßreihe werden an der Targetposition vertikale Strahlprofile
aufgenommen, indem eine horizontal offene Blende durch den Strahl gefahren
wird und dabei die Fluoreszenzstrahlung eines Silbertargets
beobachtet wird. Bei bekannter natürlicher Divergenz für die Energie der Ag
Linie kann so die effektive vertikale Elektronenstrahlbreite
abgeschätzt werden [Hei95]. Zusätzlich werden während den Messungen
ständig über ein Diodenarray vertikale Strahlprofile aufgenommen.
Die spektrale Verteilung der Synchrotronstrahlung, die durch die vertikale
Blende gelangt, hängt wesentlich von der vertikalen effektiven
Elektronenstrahlbreite
ab. Diese kann sich aber durchaus während eines Speicherzyklus ändern
[Hei94].
Abbildung: Auswirkung einer horizontalen Verschiebung der Elektronenkreisbahn
Jede Elektronenbahn für sich ergibt eine Rechteckverteilung der
Synchrotronstrahlung hinter der Blende. Diese Rechteckverteilungen strahlen
allerdings unter verschiedenen Winkeln durch die Blende und überlagern sich
in der Targetebene.
In einem einfachen Modell kann die horizontale Verschiebung des
Quellpunkts senkrecht zum Mittelpunktstrahl des Orbits betrachtet
werden. Hierbei
werden unterschiedliche Öffnungswinkel, bedingt durch eine Verlagerung des
Quellpunkts bezüglich der Eintrittsblende, vernachlässigt. Für eine
Elektronendichte ergibt sich damit folgende Winkelverteilung
hinter einer Blende der Breite :
Zu beachten ist hierbei, daß nicht von
abhängt. Desweiteren
ist bei einem Einblendensystem auch kein Versatz zu berücksichtigen, wie bei
der vertikalen Divergenz.
Abbildung: Horizontale Divergenz bei endlicher Elektronenstrahlbreite -
Analog zu Abbildung ist hier die berechnete horizontale
Divergenz hinter einer Blende von aufgetragen. Die
Elektronenstrahlbreite wurde hierbei nach Gleichung
betrachtet. Im Gegensatz zur vertikalen Divergenz ist die horizontale
nicht energieabhängig. Bei großen Elektronenstrahlbreiten sieht man
den Einfluß der horizontalen 1 mm Eintrittsblende.
In Abbildung sind nach Gleichung analog zu
Abbildung horizontale Divergenzen für verschiedene
Elektronenstrahlbreiten aufgetragen. Die Divergenz ist in diesem Fall nicht
energieabhängig. Zudem ist bei großen Elektronenstrahlbreiten der Einfluß
der horizontalen Eintrittsblende zu erkennen.
Analog zu den Messungen des vertikalen Strahlprofils werden vor jeder
Meßreihe horizontale Strahlprofile aufgenommen. Auf eine Überwachung
während der Messungen kann jedoch verzichtet werden, da die horizontale
Winkelverteilung keinen Einfluß auf das anregende Spektrum hat.
In Abbildung ist ein Vergleich eines aufgenommenen Strahlprofils
mit
nach berechneten Strahlprofilen zu sehen. Das experimentelle
Strahlprofil wurde mit einem Draht aufgenommen, der bei offener horizontaler
Blende duch den Strahl gefahren wurde.
Hierbei wurden
unterschiedliche Elektronenstrahlbreiten angenommen. Das Plateau in der Mitte
wird bei größeren Elektronenstrahlbreiten schmaler und das Strahlprofil wird
insgesamt breiter. Dies führt zu einem Intensitätsverlust an der
Nullposition. Setzt man eine zweite kleinere Blende hinter die Eintrittsblende,
ist die Intensität der Strahlung, die durch diese Blende kommt, kleiner als
bei einer idealen Rechteckverteilung zu erwarten wäre. In der Tat wird
bei den üblichen SYXRF Messungen ein Intensitätsverlust beobachtet, der
anscheinend von den Maschineneinstellungen des Beschleunigers abhängt
[Hei95].
Abbildung: Horizontales Strahlprofil - Mit einem Kupferdraht, der bei offener
horizontaler Blende durch den Strahl gefahren wurde, ist ein horizontales
Strahlprofil aufgenommen worden. Nach Gleichung wurden für
verschiedene Elektronenstrahlbreiten horizontale Strahlprofile
berechnet. Das aufgenommene Strahlprofil entspricht einer
HWHM von etwa 1.5 mm.
Die maximale horizontale Divergenz des Strahls läßt sich anhand der beiden
Blenden einfach abschätzen. Ein Zweiblendensystem aus der Eintrittsblende von
1 mm und einer eingestellten Blende von in 4.3 m Entfernung
würde einen größtmöglichen Öffnungswinkel von zulassen
(vgl.
Abbildung ).
Das Strahlrohr ist allerdings ein komplizierteres Blendensystem. So ist der
Strahl schon
durch die Vakuumrohre an sich (NW-40: 40 mm Durchmesser) und durch
Vakuumfenster zwischen den einzelnen Meßaufbauten in seiner
Ausdehnung eingeschränkt. So kann es zu Abschattungseffekten kommen oder im
Extremfall, wie es bei einer Dejustage des Elektronenstrahlrohrs im
Ablenkmagneten der Fall war, zu einer totalen Ausblendung.
Die Betrachtung der horizontalen Verschiebung des Quellpunkts in der Ebene
senkrecht zur Abstrahlrichtung ist lediglich
eine Modellrechnung, die dazu dient, den Einfluß der horizontalen
Elektronenverteilung auf die Strahldivergenz abzuschätzen. Tatsächlich wird
sich jedoch der Abstand des Quellpunkts von der Eingangsblende bei einer
Verlagerung der Elektronenbahn verändern. Da der Radius der Kreisbahn in etwa
dem Abstand zur Eingangsblende entspricht, liegt die Verlageung des
Quellpunkts bezüglich der Blende in der gleichen Größenordung, wie die
Verlagerung der Elektronenbahn und kann somit vernachlässigt werden. Die
Divergenz des Elektronenstrahls kann ebenfalls als Verlagerung der
Kreisbahn betrachtet werden unter der Voraussetzung, daß der Radius, der
durch das Dipolfeld und die Energie der Elektronen gegeben ist, für alle
Elektronenbahnen gleich ist.