Bei der korrekten Berechnung der Reflexion an einer Oberfläche ist deren
Rauhigkeit zu berücksichtigen. Eine rauhe Oberfläche führt zu einer
zusätzlichen Streuung der einfallenden Strahlung. Der Strahl wird hierdurch
aufgeweitet [SHA94].
Das Rauhheitsprofil einer Oberfläche kann durch verschiedene Größen
charakterisiert werden (DIN 4762, DIN 4768, [HER95]). Die maximale
Rauhtiefe ist der Abstand zwischen dem höchsten und dem tiefsten Punkt
des Rauhheitsprofil. Die Glättungstiefe ist der Abstand zwischen dem
höchsten Punkt und der Mittellinie des Rauhheitsprofils. Der Mittenrauhwert
ist der arithmetische Mittelwert aller Abstände R des Rauheitsprofils
von dessen Mittellinie. Bei theoretischen Betrachtungen der
Oberflächenrauhigkeit wird üblicherweise der quadratische Mittelwert
betrachtet. Dieser wird auch als 'rms roughness'
bezeichnet (rms: root mean square) [ZEI92][Nev80].
Ist die Oberflächenrauhigkeit nicht zu groß im Vergleich zu den betrachteten
Wellenlängen, so kann die Oberfläche als mehrschichtiger Reflektor
betrachtet werden. Man teilt sie in übereinanderliegende Schichten ein, denen
mit zunehmender Tiefe höhere Dichten zugeordnet werden. Der Brechungsindex
einer einzelnen Schicht n ergibt sich mit aus dem Brechungsindex des Reflektormaterials und dem Verhältnis
der zugeordneten Dichte zur Dichte des Reflektormaterials.
Beim einfachsten Modell entspricht das Rauhheitsprofil der Oberfläche einer
linearen Dichtezunahme bis zur Tiefe [Schw92]:
Allerdings ist eher eine statistische Normalverteilung des Tiefenprofils um die mittlere Tiefe zu erwarten. Somit ergibt sich in einem weitergehenden Modell folgende Dichteverteilung [Nev80][SHA94]:
Die Gesamtreflexion eines solchen Schichtsystems läßt sich mit der in
Kapitel beschriebenen Rekursionsformel berechnen.
Nevot und Croce haben gezeigt, daß sich mit einer angenommenen
Normalverteilung des Dichteprofils folgender Faktor für das Verhältnis der
Reflektivitäten eines rauhen Reflektors und eines idealen Reflektors ergeben
[Nev80]:
In Abbildung ist die Reflektivität eines Siliziumreflektors bei einem Einfallswinkel von 2 mrad gegen die einfallende Energie aufgetragen. Hierbei wurden mit Hilfe des Nevot Croce Faktors die Reflektivitäten bei verschiedenen Oberflächenrauhigkeiten berechnet. Bei zunehmender Rauhigkeit wird die Gesamtreflektivität abgeschwächt. Die stärkste Abschwächung ist hierbei für die Energien zu beobachten, deren kritischer Winkel unterhalb des Einfallswinkels liegt.
Abbildung: Reflektivität einer rauhen Siliziumoberfläche - Im oberen Bild
wurde ein
Einfallwinkel von 2 mrad betrachtet und die Reflektivität für
unterschiedliche Rauhigkeiten gegen die
Energie der einfallende Strahlung aufgetragen. Im unteren Bild wurden die
Reflektivitätskurven für eine Energie von 10 keV gegen den
Einfallswinkel aufgetragen
Trägt man die Reflektivität für eine bestimmte Energie gegen den Einfallswinkel auf, so sieht man, daß gerade im Bereich des kritischen Winkels die Intensität der reflektierten Strahlung abgeschwächt wird.
Die Welligkeit eines Reflektors führt zu lokalen Änderungen bei der Neigung der Oberfläche. Betrachtet man ein Profil z(y) entlang der Oberfläche in Strahlrichtung, so läßt sich ein Neigungsfehler (engl. slope error) definieren. Dies ist im allgemeinen der quadratische Mittelwert der Abweichungen von der mittleren Neigung [San92]:
Da die Perioden der Welligkeit viel größer sind als die Wellenlängen der reflektierten Strahlung, ist der Reflektor lokal als plan zu betrachten. Die Welligkeit äußert sich durch Reflexionswinkel, die von der Hauptreflexionsrichtung abweichen. Wenn der erwartete Reflexionswinkel für eine ideale Reflektoroberfläche ist, ergibt sich bei einer lokal abweichenden Neigung der tatsächliche Reflexionswinkel mit:
In einem einfachen Modell kann die Welligkeit berücksichtigt werden, indem man die Form der Reflektoroberfläche als Sinuskurve betrachtet, deren Wellenlänge der Länge des Reflektors L entspricht und die den Neigungsfehler aufweist. Die Amplitude A der Sinuskurve ergibt sich aus:
Ein Verfahren zur Berechnung der Strahloptik bei Neigungsfehlern, das sich an
der realen Oberflächenstruktur orientiert, wird im Programm SHADOW verwendet
[SHA94][San92].
Hierbei geht man vom realen Profil der Reflektoroberfläche aus. Nach einer
Fouriertransformation des Profils wird die Reflexion an den Sinusgittern
berechnet, die den Hauptortsfrequenzen entsprechen.
Da die Welligkeit in erster Linie die Strahloptik spezifisch beeinträchtigt,
wurde sie
im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter betrachtet. Ihr Einfluß auf die
Reflektivität ist eher genereller Natur und kann genausogut über Formfehler
bzw. Divergenz berücksichtigt werden.
Abbildung: Formfehler einer planen Reflektoroberfläche
Dazu wird der maximale Neigungsfehler betrachtet, der sich durch mögliche Abweichungen von der Sollform ergibt. Zum einen wird eine kreisförmige Verformung angenommen:
und zum anderen eine Parabelform:
Geht man von einem Spiegel von 100 mm Länge aus, so würde ein maximaler
Neigungsfehler von 0.5 mrad bei
Gleichung einer Profilabweichung von
an den Kanten entsprechen. Für die parabelförmige Abweichung ergibt sich
dementsprechend .
Die beschriebenen Formfehler können bei ihren Auswirkungen auf die
Reflektivität als zusätzliche Divergenz des Strahls betrachtet werden.
In beiden Fällen handelt es sich um Abweichungen vom Einfallswinkel,
die in ihren Auswirkungen auf den weiteren Strahlverlauf grundsätzlich nicht
unterschieden werden können.
Wie bereits in Kapitel 1 gezeigt, ist auch bei Synchrotronstrahlung noch mit
einer endlichen Strahldivergenz zu rechnen.
Bei der Reflexion eines divergenten Strahls ist zu beachten, daß der
Ablenkungswinkel des Strahls dem doppelten des Einfallswinkels auf die
reflektierende Oberfläche entspricht.
Die Divergenz der Strahlung verdoppelt sich sozusagen. Das ist vor allem im
Hinblick auf Mehrfachreflexionen zu berücksichtigen.
Unter Berücksichtigung der Divergenz der einfallenden Strahlung ergibt sich
die Reflektivität für einen Einfallswinkel aus dem Intergal der
Reflektivitäten über die gesamte Winkelverteilung:
Hierbei soll die winkelabhängige Intensitätsverteilung sein, deren Integral über den gesamten Winkelbereich auf eins normiert ist. Im einfachsten Fall einer Gleichverteilung über den Winkelbereich von bis folgt hieraus:
Eine solche Verteilung entspricht der erwarteten horizontalen Verteilung der Synchrotronstrahlung bei idealen Elektronenstrahlbedingungen. In Abbildung sind die berechneten Reflektivitäten an einem Siliziumreflektor bei 2 mrad zu sehen unter der Berücksichtigung verschiedener Divergenzen . Hierbei wird der Kurvenverlauf um die Energie, bei der erstmals Totalreflexion auftritt, abgeflacht.
Abbildung: Reflektivität bei divergentem Strahl - Die Reflektivität an einer
Siliziumoberfläche unter 2 mrad ist für verschiedene Strahldivergenzen
gegen die Energie der einfallenden Strahlung aufgetragen.