Es gibt vielseitige Anwendungsmöglichkeiten von Totalreflexion bei der
Röntgenspektroskopie bzw. allgemein beim Einsatz von Röntgenstrahlung
[Kre91a]. Unter Ausnutzung der Energieabhängigkeit der Reflexion kann
die spektrale Verteilung im anregenden Spektrum modifiziert werden. Zudem ist
es möglich, den Strahl abzulenken und dementsprechend auch zu
fokussieren. Bei der klassischen Totalreflexionröntgenfluoreszenzanalyse
(TXRF) wird die Reflexion an einem Probenträger oder auch an der Probe selber
genutzt.
Zum einen können so störende Matrix- und Untergrundeffekte bei der
Fluoreszenz unterdrückt werden, da nur die obersten Schichten angeregt
werden. Zum anderen erhöht sich die Intensität der anregenden Strahlung an
und direkt über der reflektierenden Oberfläche.
Im folgenden werden einige Anwendungen näher vorgestellt. Dabei werden vor
allem Anwendungen betrachtet, die im Rahmen dieser Arbeit untersucht wurden.
Trifft ein polychromatischer kollimierter Röntgenstrahl in einem vorgegebenen Winkel auf eine Reflektoroberfläche, so wird hauptsächlich nur die Strahlung reflektiert, deren Energie unterhalb einer durch Gleichung vorgegebenen Grenzenergie liegt.
Für höhere Energien liegt der kritische Winkel der Totalreflexion
niedriger. Der Großteil der höherenergetischen Strahlung dringt somit
unreflektiert in den Reflektor ein und führt dort zu Fluoreszenz- und
Streustrahlung. Da aber in erster Linie die reflektierte Strahlung von
Interesse ist, ergibt sich hierdurch ein unerwünschter
Strahlungsuntergrund.
Ein mögliches Verfahren, dies zu vermeiden, ist, monochromatische
bzw. monochromatisierte Strahlung zu verwenden [Rie95]. Das hat zudem den
Vorteil, daß bei einem kontinuierlichen Spektrum, wie es zum Beispiel bei
Synchrotronstrahlung der Fall ist, beliebige Energien ausgewählt werden
können und sich so bei XRF-Analysen unterschiedliche Elemente jeweils optimal
angeregen lassen. Zudem wird die quantitative Analyse erleichtert, da
theoretische Fluoreszenzintensitäten sich bei einer monochromatischen
Anregung einfacher berechnen lassen.
Ein Nachteil ist es allerdings, daß die Gesamtintensität der Strahlung
abnimmt. Verwendet man einen Braggkristall (Bsp: Si(111)-Kristall), so liegt
die Bandbreite bei etwa [Rie95]. Heutzutage
werden zumeist Multilayerstrukturen verwendet. Hier liegen die Bandbreiten bei
0.005 bis 0.1 [Bil83].
Ein anderes Verfahren bietet sich dadurch, die Totalreflexionreflexion
ihrerseits wieder dazu zu nutzen, den hochenergetischen Anteil aus dem
Röntgenspektrum herauszufiltern. Ein Reflektor, der in den Strahl gesetzt
wird, reflektiert den niederenergetischen Anteil des Spektrums bis zu der
durch Gleichung vorgegebenen Energie. Der höherenergetische
Anteil wird nicht reflektiert und dringt in den Reflektor ein. Wenn er nicht
bereits dort absorbiert wird, kann er durch entsprechende Absorber
ausgeblendet werden. Somit ergibt sich bei einer ursprünglichen spektralen
Verteilung folgende Intensitätsverteilung in Abhängigkeit vom
Ablenkwinkel:
Wie aus den Betrachtungen in Kapitel folgt, ist für die Eignung des Reflektors als Tiefpaßfilter (high energy cutoff) das Verhältnis von Bedeutung. Je kleiner das Verhältnis ist, desto schärfer ist der Übergang von Reflexion zu Transmission. In Abbildung war bereits die Reflexion jeweils für verschiedene Winkel für Silizium und Gold zu sehen. In Abbildung ist ein Synchrotronspektrum zu sehen und die berechneten Reflexionen an einem Siliziumspiegel und an einem Goldspiegel. Das Spektrum ist für eine Elektronenenergie von 2.3 GeV gerechnet worden unter Berücksichtigung eines für Röntgenfluoreszenzmessungen typischen Aluminiumabsorbers von 1.2 mm Dicke und der Luftabsorption am SYXRF Meßplatz. Als Reflexionswinkel wurde für den Siliziumspiegel 1.56 mrad und für den Goldspiegel 3.99 mrad gewählt. Nach ergibt sich in beiden Fällen eine Grenzenergie von 20 keV. Man sieht deutlich, daß ein Goldreflektor bereits Synchrotronstrahlung mit Energien unterhalb der Grenzenergie nicht vollständig reflektiert. Zudem ist bei dem an Silizium reflektierten Spektrum deutlich eine Kante an der Grenzenergie zu erkennen. Der Effekt ließe sich durch Mehrfachreflexion verstärken. Hierbei ist jedoch zu bedenken, daß sich bei jeder Reflexion die Divergenz der einfallenden Strahlung erhöht.
Bei der TXRF trifft ein kollimierter Strahl im Bereich des kritischen Winkels
auf eine flache glatte Oberfläche und wird dort reflektiert. Der Reflektor
dient in diesem Fall als Probenträger. Gemessen wird die Röntgenfluoreszenz
einer aufliegenden Probe, die durch den einfallenden und den reflektierten
Strahl angeregt werden. Der Einfallswinkel sollte dabei so flach sein, daß
der Hauptteil der anregenden Strahlung an der Oberfläche des Probenträgers
reflektiert wird. Dadurch wird die Röntgenfluoreszenz des
Reflektormaterials und die Streuung am Reflektor unterdrückt [Klo92] [Schw92].
Gleichzeitig wächst die Intensität der Strahlung über der reflektierenden
Oberfläche. Ist der Bereich, in dem sich das Probenmaterial über dem
Reflektor befindet, ausreichend groß (> 100 nm vgl. Kapitel über stehende
Wellen), können die Interferenzen zwischen einfallender und reflektierter
Strahlung zunächst venachlässigt werden. Die anregende Gesamtintensität
entspricht in diesem Fall der Summe der Intensitäten der einfallenden und der
reflektierten Strahlung, wie sie sich aus Gleichung [] ergibt:
Bei vollständiger Reflexion würde die anregende Intensität auf ihren
doppelten Wert ansteigen. Der Strahl durchdringt die Probe sozusagen
zweimal. Unter Berücksichtigung von Interferenzen kann die Intensität in den
Interferenzmaxima nach Gleichung sogar auf nahezu das
vierfache ansteigen. Dies kann dazu genutzt werden die Höhe einer dünnen
Schicht über der Oberfläche zu bestimmen.
Die Probe kann so dünn auf den Reflektor aufgetragen werden, daß
Matrixeffekte bei der gemessenen Fluoreszenzstrahlung, wie Absorption in der
Probe oder Sekundäranregungen und Streuung in der Probe, vernachlässigt
werden können. Man spricht in diesem Fall auch von Dünnschichtanalyse. Die
kritische Dicke der Probenschicht, für die diese Annahme noch gilt, ist
abhängig von den Wirkungsquerschnitten der Elemente in der
Probenmatrix. Aufgrund der gerechneten Absorptioneffekte, die man zum Beispiel
aus Gleichung
erhält, lassen sich so Abschätzungen über die kritische
Probendicke für verschiedene Arten von Proben machen[Klo89].
Durch die Unterdrückung der Streustrahlung kommt es zu einer Erhöhung der
Sensitivität. Die Sensitivität läßt sich rechnerisch über die
Nachweisgrenze ausdrücken [Rie95]:
Hierbei ist die Probenmenge des Elements i, die zu einer
Fluoreszenzintensität führt, die Intensität des
Untergrunds im Peakbereich und t die Meßdauer. Nimmt man als Peakbereich
eine volle Halbwertsbreite mit bekanntem Untergrund an, so entspricht der
Faktor 3.0 einer
Nachweiswahrscheinlichkeit von 99.86% [Jen81].
Um den Untergrund durch die Streustrahlung aus dem reflektierenden
Objektträger abzuschätzen,
kann man den sogenannten Energietransfer
in den Reflektor betrachten
[Schw92]. Das ist der Anteil der einfallenden
Strahlung, der senkrecht zur Oberfläche, in diese eindringt.
In Abbildung sind die berechneten Streuspektren für einen
Detektor in der Beschleunigerebene für
verschiedene Probenträger
aufgetragen. Die anregende Intensität entspricht einer Elektronenenergie von
2.3 GeV, einem Strom von 20 mA und einem Aluminiumabsorber von 0.7
mm.
Der Strahlquerschnitt wurde mit
angenommen. Der Detektor soll sich im Abstand von 20 mm vom Targetpunkt
befinden und eine Fläche von 10 haben. Die Probenträger sind zum
einen ein reiner Quarzwafer, der im Winkel von zum Strahl steht,
dann zwei Kaptonfolien von 115 bzw. 10 Dicke ebenfalls in
einem Winkel von und schließlich der Quarzwafer bei verschiedenen
Winkeln im streifenden Einfall. Der Quarzwafer wurde bei der Rechnung als
unendlich dick betrachtet. Über die Kaptonfolie von 115 Dicke sind am
SYXRF Meßplatz in Bonn die Nachweisgrenzen bestimmt worden [Mom96b]. Bei
den Betrachtungen zum streifenden Einfall wurde die Ausdehnung des Strahls
berücksichtigt und die dadurch abnehmende sichtbare Intensität (siehe
Kapitel ).
Abbildung: Streustrahlung aus dem Probenträger - Zum Vergleich sind hier die
berechneten Streuspektren in der Polarisationsebene für verschiedene
Probenträger aufgetragen. Die anregende Intensität entspricht einer
Elektronenenergie von
2.3 GeV, einem Strom von 20 mA und einem Aluminiumabsorber von
0.7 mm. Ein
unendlich dicker Quarzwafer wird hier einmal für einen Einfallswinkel von
betrachtet und zum anderen im streifenden Einfall bei Winkeln von
1.0, 1.2 bzw. 1.5. Weiterhin sind die Streuspektren aus zwei
Kaptonfolien mit Dicken von 115 bzw. 10 aufgetragen.
Der Kompressionsfaktor ergibt sich aus dem Verhältnis der senkrechten Wellenvektorkomponenten außerhalb und innerhalb des Reflektormaterials. Das entspricht im wesentlichen dem Verhältnis von Einfalls- und Brechungswinkel. Wird der Winkel flacher, hat die Strahlung pro Tiefenschicht eine höhere Intensität. Die Intensität wird senkrecht zur Oberfläche sozusagen dichter. Drückt man den Brechungswinkel mit Hilfe der Eindringtiefe aus, erhält man somit:
Betrachtet man eine dünne Oberflächenschicht so kann die Absorption der Fluoreszenzstrahlung in der Probe zunächst vernachlässigt werden. Somit ist die Fluoreszenzintensität eines Elementes proportional zur Intensität der anregenden Strahlung und zum Integral über das Konzentrationsprofil des untersuchten Elements :
Dabei entspricht der Fluoreszenzwahrscheinlichkeit des
Elements bei einer Energie .
Bei mehreren übereinanderliegenden Schichten müssen die Reflexionen zwischen
den einzelnen Schichten berücksichtigt werden, wie sie sich zum Beispiel aus
Gleichung ergeben. In jeder Schicht n kann sowohl die
einfallende Strahlung als auch die reflektierte Strahlung
Fluoreszenz anregen. Zudem müssen auch die Interferenzen der beiden
Felder berücksichtigt werden [dBoe91]. Für ein Element, das in der
Schicht n gleichverteilt ist, ergibt sich somit:
Hierbei entspricht z=0 der Position am oberen Rand der Schicht und
der Dicke der Schicht. Die
Amplituden der elektrischen Felder können anhand der Betrachtungen in Kapitel
bzw. in [Par54] berechnet werden. Auch hier wird die Absorption der
Fluoreszenzstrahlung in der Probe vernachlässigt.
Bei polychromatischer Anregung muß zusätzlich noch über das anregende
Spektrum integriert werden:
Die Möglichkeit, einen Synchrotronstrahl abzulenken, kann zur Strahloptik
genutzt werden. Mit entsprechend geformten Spiegeln wird der
Synchrotronstrahl zum Beispiel fokussiert [ZEI92]. Eine andere
Möglichkeit, den Strahl zu fokussieren, bietet die Kapillaroptik
[Eng91] [Bil94a] [XCO95]. Hierbei wird der Strahldurchmesser mit
Hilfe einer Glaskapillare verkleinert. Der Innendurchmesser der Glaskapillare
verringert sich
und die Strahlung wird an den Innenwänden mehrfach reflektiert.
Im Idealfall wird die gesamte Strahlung weitergeleitet. So verkleinert sich der
Strahldurchmesser bei gleichbleibender Intensität.
Wie bereits in Kapitel erwähnt worden ist, können stehende
Wellen über der Oberfläche dazu genutzt werden, die Positionen von dünnen
Schichten über dem Reflektor zu bestimmen.